OrdnungAusbeutungs-monster |
FamilieHandymonster |
Gattung & Artimperatoria parasitus |
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Ursprünglich stammen diese Monstergattung aus den USA, inzwischen werden sie aber vorwiegend in asiatischen Ländern aufgezogen. Innerhalb kürzester Zeit verbreiteten sich Handy-Monster invasiv auf der ganzen Welt. Der hohe Verbreitungserfolg lässt sich auf die schnelle Fortentwicklung ihres technischen Innenlebens zurückführen, bedingt durch ihre hohe Anpassungsfähigkeit auf die individuellen Neigungen ihrer Wirte. Die meisten Menschen hatten in ihrem Leben bereits intensiven Kontakt zu mehrere Exemplaren dieser kleinen urbanen Monster.
Leicht und lustvoll zu bedienen präsentiert sich das gemeine Smartmon in den schillerndsten Farben. Phänotypen derselben Gattung treten in verschiedenen Ausführungen auf. Dieses artenspezifische Anpassungsverhalten verschafft den kleinen Monstern den Rang eines unverzichtbaren Alltagsbegleiters und Mode-Accessoires.
Der Speiseplan der kleinen, aber sehr gefräßigen urbanen Monster besteht aus rund 30 verschiedenen Metallen. Darunter befinden sich Eisen, Kupfer und Aluminium – aber auch sehr wertvolle Edelmetalle wie Silber, Gold, Palladium und Platin. Eine besondere Leibspeise ist das seltene Tantal-Erz “Coltan“.
Apple, Samsung, Huawei, Oppo, Xiaomi, Vivo, Realme, Motorola, LG, Tecno
Besichtigungen sind 24/7 möglich
Die Entwicklung des Smartmons hin zum ständigen Alltags- begleiter geht auf vielfältige, teils zufällige Entwicklungen zurück. Vor etwa 20 Jahren erschienen die ersten Urarten der heutigen Gattung. Inzwischen hat die Gattung etliche Entwicklungen (sog: “upgrades“) durchlaufen, um sich immer weiter an die Bedürfnisse ihrer Nutzer*innen anzupassen. Die Konsument*innen und Nutzer*innen übernehmen für die parasitären Smartmons eine Wirtsfunktion. Die Beziehung zwischen Wirt und Monster ist dabei eine wechselseitige: Der Parasit verlockt zum Kauf durch ein reizvolles Angebot an neuen Funktionen, welche dem Wirt eine Erleichterung zur Bewältigung seines Alltagslebens verspricht. So geraten Parasit und Wirt unweigerlich in eine gegenseitige Abhängigkeit.
Die Züchter*innen von Smartmons schaffen es, dass immer mehr Menschen den Verlockungen des Smartmons erliegen. Mit ihrem aggressiven Balzverhalten machen neue Unterarten auf sich aufmerksam und schaffen es so immer wieder einen neuen Wirt zu finden. Je jünger das Smartmon, desto besser kann es ein Gefühl von Exklusivität vermitteln.
Die Ausbreitung der Monster wird durch weitgehend flächendeckende Funknetze begünstigt, die integraler Bestandteil unserer modernen Gesellschaft geworden sind, jedoch ist der treibende Faktor ihrer Vormachtstellung der rasante technologische Fortschritt.
340 x 205 mm
512 Gigabyte
lag im Jahr 2019 bei 57,7 Millionen Smartmons (Quelle: Statista 2019)
Es ist ein fressen und gefressen werden unter allen Artgenossen. Urarten wie das Festnetz- und Telefonzellenmonster sind bereits fast vollständig ausgestorben...
Nicht nur auf Kosten der Arbeiter*innen – durch schlechte Löhne, menschen- unwürdige Arbeitsbedingungen und Kinder- arbeit – sondern auch auf Kosten der Umwelt werden die kleinen Smartmons mit Coltan aufgezogen.
Coltan kann man sich als Muttermilch der Smartmons vorstellen – ohne sie könnte keines heranwachsen. In den Minen des afri- kanischen Kongos gehen auch Kinder der gefährlichen Arbeit in Tagebauen nach. Vom Abbau des Coltans profitieren aber viel zu häufig nur kriminelle Milizen und Warlords.
Smartmons gehen mit ihren Wirten eine enge Bindung ein und sind so in der Lage, immer neue Lebensräume zu erschließen. Den älteren Artgenossen fällt es allerdings zunehmend schwer, die Aufmerksamkeit ihrer Wirte auf sich zu ziehen und werden deshalb in regelmäßigen Abständen durch jüngere Exemplare ersetzt. Die Züchter setzen alles daran, ihren Absatz zu steigern und statten ihre Züchtungen mit immer neuen Funktionen aus. Durchdachte Marketingkampagnen machen neugierig und kurbeln das Konsumverhalten an. So wird bei den Konsumenten der Wunsch nach modernste Technik geweckt, auch wenn die älteren Geräte noch funktionieren.
Smartmon-Züchter bringen in immer kür- zeren Entwicklungszyklen neue Exem- plare auf den Markt. Dadurch fallen viele ältere Modelle aus den Supportzyklus des Züchters. Ältere Exemplare sind für den Züchter unattraktiv, denn mit älteren Exemplaren verdient der Hersteller weniger Geld und daher ist es für das Unterneh- men lukrativer, neue Exemplare auf den Markt zu bringen, als ältere Exemplare weiterhin zu unterstützen.
Die weltweit zunehmende Ausbreitung von Smartmons geht mit einer hohen Nachfrage seltener Rohstoffe einher, deren Abbau problematisch ist. Der Handymonster-Boom hat Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung zu Folge.
Im Kongo bauen ein bis zwei Millionen Menschen die Leibspeise der Smartmons ab. Die Leckerei Coltan bedeutet für Millionen Menschen im Kongo Gewalt, Bürgerkrieg, Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen. Die Minen zerstören fruchtbares Land und viele Minen im Osten des Kongos stehen unter der Kontrolle bewaffneter Gruppen, die sich aus den Gewinnen finanzieren und ihre Macht ausbauen.
Recycling und Wiederverwertung von alten, verletzten und nicht mehr gebrauchten Smartmons können die fatalen Folgen des Coltanabbaus mindern. Aber auch die Wiederverwertung geschieht unter extremen Risiken für Umwelt und Menschen. Recycling ist ein hoher Kostenfaktor für die Smartmonzüchter*innen – durch eine Auslagerung der Arbeiten auf den afrikanischen Kontinent werden diese Kosten auf Mensch und Natur abgewälzt.
Entwicklung und Design finden in der Markenfirma des Züchters statt, die sich in Industrieländern befinden. Hochqualifizierte, sehr gut bezahlte Technikexpert*innen und Designer*innen arbeiten hier. Die Rohstoffe, die benötigt werden, um ein Smartmon aufzuziehen, werden vielfach im Globalen Süden abgebaut, da sie dort im Boden lagern und zu geringen Kosten gefördert werden können.
In einem Smartmon stecken etwa 30 Metalle, die oft umweltschädlich unter Einsatz von giftigen Chemikalien und Inkaufnahme von Menschenrechtsverletzungen und Kinderarbeit abgebaut werden.
Anstelle eines neuen Smartmons zur Vertragsverlängerung, ist es möglich seinen Mobilfunkanbieter nach einer Gutschrift zu fragen.
Bevor man es aussetzt, sollten Familie und Freunde gefragt werden, ob jemand von ihnen damit etwas anfangen kann. Außerdem bietet sich ein Verkauf an. Einige Umwelt- und Sozialorganisationen haben Sammelboxen für Smartmons aufgestellt. Richtig entsorgt werden viele Rohstoffe recycelt und weiter benutzt. Das ist gut für die Umwelt und für unsere Zukunft. Im Hausmüll gehen die wertvollen Rohstoffe einfach verloren.
Druck machen, den Aufbau transparenter Handelsstrukturen und Nachweise einfordern, dass für die Aufzucht der Smartmons kein Coltan aus dem Kongo verwendet wird, in dem Menschen unter schlechten Arbeitsbedingungen arbeiten müssen.
Um den Bedarf an Coltan und anderen Rohstoffen reduzieren, könntest du beispielsweise eine Smartmon-Sammelaktion auf die Beine zu stellen. Gemeinsam mit Freunden kannst du dafür sorgen eine Sammelbox in eurer Schule, im Vereinshaus oder im Supermarkt aufzustellen. Warum? Es liegt in unserer Verantwortung, die wertvollen Ressourcen in den Kreislauf zurückzuführen.
Die Deutsche Telekom bietet in Zusammenarbeit mit Teqcycle die Möglichkeit, eine eigene Sammelbox aufzustellen und ungenutzte Smartmons einzufangen. Die Box kann kostenfrei bestellt werden und man bekommt Unterstützung bei der Vorbereitung der Aktion. Die Sammelstelle wird in einem Sammelstellenfinder hinterlegt.
Drees, Carsten (2015): Coltan - an fast allen Smartphones klebt Blut. Smartphone-Käufe finanzieren die Rebellen im Kongo. Online: mobilegeeks.de
Dürr, Benjamin (2010): Der Stoff, aus dem die Handys sind. Umkämpftes Coltan. Online: stern.de
Forschungsbericht im Auftrag des Umweltbundesamtes (2007): Maßnahmen und Konzepte zur Lösung des Problems konfliktverschärfender Rohstoffausbeutung am Beispiel Coltan. Online: umweltbundesamt.de
International Data Corporation (2019): Smartphones. Online: statista.com Laghai, Shafagh (2016): Kongo - Das schwarze Gold für Handys. Online: daserste.de
Laser, Stefan (2020): Smartphones setzen sich durch – und werden zum Problem. In: Hightech am Ende. Soziologie des Wertens und Bewertens. Springer VS, Wiesbaden.
Dieses Monster wurde im Sommersemester 2020 entdeckt und beschrieben durch die renomierten Monster-Forscher Stefan Heinemann, Michael Imrisek und Zacharias Skudelny, Studierende der Universität Kassel.
Konzept und Redaktion: Oliver Emde
Grafik, Layout und Satz: Gregor Müller