OrdnungMobilitäts-monster |
FamilieFossile Mobilität |
Gattung & Artfossilus motoricus |
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Die Monsterbezeichnung ‚El Petrol‘ leitet sich vom spani- schen ‚El Patron‘ ab und bedeutet so viel wie ‚Chef‘ oder ‚Boss‘, da diese Monster in ihrem Lebensraum (Straße) die dominie- rende Art darstellen. ‚Petrol‘ kommt aus dem Englischen und bedeutet wortwörtlich übersetzt ‚Benzin‘, was stellvertretend für die (fossilen) Brennstoffe steht.
In modernen Gesellschaften stehen Autos nicht mehr bloß für die Unabhängigkeit im Bereich der Mobilität – sie sind zu Statussymbolen geworden. Immer das neuste und schönste Modell, mehr PS als der Nachbar und eine bessere Ausstattung. Der gesellschaftliche Stellenwert von Automobilität findet sich auch im Stadtbild wieder, das durch immer weiter ausgebaute Straßen oder benötigte Parkplätze geprägt ist. Doch welchen Preis müssen wir oder andere für diese vermeintliche Freiheit zahlen – und ist es uns das wirklich wert?
Abb. 1: Das El Petrol hüllt sich stets in einer Aura aus Rauch und Qualm.
Deutschland ist für die Heranzüchtungen von El Petrols weltweit bekannt. Damit sich die Verbrennungsmotor-Monster hier wohlfühlen, werden viele bauliche Veränderungen angestoßen. Man kann den Eindruck bekommen, die Bedürfnisse der Großfamilie der El Petrols stehen vor denen der hier lebenden Menschen. Die El Petrols sind aber nicht nur in Deutschland zu finden – Mitglieder der riesigen Großfamilie verteilen sich über den gesamten Globus. So ist auch in anderen Ländern die Popu- lation von Verbrennungsmotor-Monstern beeindrucken groß. Lange Zeit beschränkte sich ihr Habitat vor allem auf den globalen Norden, doch inzwischen hat die Familie auch in Ländern im globalen Süden Fuß gefasst. Diese Entwicklung hat zu einer enormen Vergrößerung der Familie geführt. 2005 waren es weltweit noch 892 Millionen Familienmitglieder, 2015 sind es schon 1,2 Milliarden gewesen.
Eine solche Verbreitung bleibt für Mensch und Natur nicht ohne Folgen. Überall wo die Petrols leben, verursachen sie Dreck. Verschmutzte Luft, Mikroplastik, verdrecktes Grund- wasser ... die Liste der Übeltaten dieser Familie ist lang. Und auch Menschen leiden unter den Petrol ́s. Viele Einzelteile werden im globalen Süden unter schwierigen Arbeitsbedingungen produziert. Deswegen ist El Petrol, stellvertretend für seine Familie, ein Monster der imperialen Lebensweise.
Die Nachkommen sind zahlreich und stetig wachsend.
Abb. 3: Entwicklung des Verkehrs nach Wegezwecken, Quelle: bmvi.de
El Petrols sind sehr zutrauliche, menschenzugewandte Monster, sodass jeder deutsche Haushalt im Durchschnitt 1,12 Exemplaren eine Heimstätte bietet. Das enge Verhältnis von Mensch und Monster kann zur Abhängigkeit zwischen Monster und Mensch führen, unter anderem gestützt durch eine schlechte Infrastruktur von öffentlichen Verkehrsmitteln: Vor allem in ländlichen Bereichen, in denen häufig längere Wege zurückgelegt werden müssen, sind öffentliche Verkerhsmittel – gerade im Vergleich zur Infrastruktur für Autos (Autobahnen, Bundesstraßen, Tankstellen) – deutlich schlechter ausgebaut. Zusätzlich gestärkt wird die Abhängigkeit von Mensch und Monster durch unnötige Alltagspraktiken, die sich in unsere Lebensweise eingeschlichen haben. Ein bekanntes Phänomen kann morgens vor Schulen beobachtet werden, an denen sich ganze Monster-Rudel tummeln: Es ist bequeme Normalität, Kinder und Jugendliche mit dem eigenen Monster vor die Schule zu fahren – trotz guter Busverbindung.
In Deutschland ist das Verbrennungsmotor-Monster außer- dem vom Nutzgegenstand zum Statussymbol geworden. Das eigene, große und glänzende Monster besitzt für viele Men- schen einen hohen Stellenwert. Ihre Prominenz und ihre ange- sehene gesellschaftliche Position verdanken die El Petrols vor allem der mächtigen Autolobby, die großen Einfluss auf die Politik hat.
In Deutschland gibt es rund 45 Mio. Erwerbstätige. In der Automobilindustrie einschließlich Zulieferfirmen arbeiten 823.000 Menschen. Hinzu kommen 460.000 Beschäftigte, die bei Reparatur-Werkstätten, Tankstellen und im Handel und Verkauf stehen. Also hängt jeder 35. Arbeitsplatz an der Autoindustrie. Das für die Herstellung von Elektromotoren (200 Teile) weniger Menschen benötigt werden als für die Fertigung von Verbrennungsmotoren (1.400 Teile) ist richtig, jedoch wird in Zukunft der größte Teil der Arbeitsplätze durch die fortschrei- tende Automatisierung der Produktion und die Digitalisierung verloren gehen – unabhängig von der Antriebsart.
Das weltweit erhöhte Populationsaufkommen der El Petrols bringt viele negative Folgen für Natur und Umwelt mit. Diese können wir beobachten – sowohl direkt vor Ort als auch in ihrer globalen Dimension.
In Deutschland sorgen Verbrennungsmotor-Monster mit ihren Abgasen für Luftverschmutzung, vor allem in großen Städten. An manchen Orten ist es sogar so schlimm, dass durch die Politik bereits „No-Go-Areas” für manche El Petrols eingeführt wurden. Die El Petrols, insbesondere die Macker und Protzer unter ihnen, verbrauchen sehr viel Platz. In Städten nehmen sie so viel Raum ein, dass sich die Menschen in vielerlei Hinsicht einschränken müssen. Die Monster stehlen andere Verkehr- steilnehmer*innen Platz und Raum, den sie eigentlich dringend bräuchten. Auch drängen die Verbrennungsmotor-Monster, in Zusammenarbeit mit dem Oberflächenversiegelungsmonster, die Natur im städtischen Raum immer weiter zurück.
Global betrachtet sorgen die El Petrols für das Fortschreiten des Klimawandels. Denn um sich fortzubewegen benötigen sie fossile Brennstoffe, welche für eine Erwärmung des Erdklimas sorgen.
Außerdem sorgen sie für starke Umweltverschmutzung. Für den Bau von Verbrennungsmotoren werden Metalle wie Eise- nerz, Aluminium oder Kupfer verwendet. Deren Abbau und Auf- bereitung führt häufig zu massiven Umweltverschmutzungen. Gleiches gilt für die Gewinnung und den Transport von Treibstoff. Die negativen Auswirkungen dieser Verschmutzung bekommen leider vor allem die Menschen zu spüren, die kaum von den Vorteilen der Petrol ́s profitieren. Die negativen Folgen der Petrol ́s werden somit auf andere Menschen ausgelagert.
Abb. 5:
El Petrols Nahrung wird mit riesigen Öltankern quer über den Globus transportiert
Elektroautos (Better-Ries) gelten für viele als umweltfreundliche Alternative zu einem Verbrenner. Während sie durchaus in den Bereichen Klimawandel und Luftverschmutzung besser sind als ein Verbrennungs- motor-Monster, bleiben andere Probleme weiterhin bestehen. So verbraucht auch eine Better Rie immer noch viel Platz im Straßenverkehr. Für den Bau werden weiterhin Ressourcen verwendet, deren Gewinnung zu starker Umweltverschmutzung führt. Better Ries lösen Probleme der El Petrols also nur zum Teil.
Es gibt also dringenden Handlungsbedarf, den Populati- onsbestand der El Petrols zu reduzieren. Doch was kann man gegen die negativen Folgen und die weitere Ausbreitung der riesigen Großfamilie tun?
Erstmal kannst du selbst einiges zu einem Wandel beitra- gen: Es ist zum Beispiel immer gut, statt dem motorisierten Auto das Fahrrad zu benutzen, vor allem für kurze Strecken in der Stadt. Und auch andere Angebote wie Carsharing-Mons- ter, das Mitfahrbank-Monster oder das gemeinsame Nutzen von Autos können helfen die negativen Folgen der Petrols einzudämmen.
Ebenso wichtig ist allerdings auch die politische Ebene. Wie viel Geld für Fahrradwege oder Straßen ausgegeben wird, wie viele Parkplätze zur Verfügung stehen, wo und wie regelmäßig die Straßenbahnen und Busse anhalten. All diese Dinge sind keine individuellen Angelegenheiten, sondern werden politisch entschieden. Denn du kannst noch so motiviert sein mehr Fahrrad oder Straßenbahn zu fahren. Wenn es in dem Ort keine Fahrradwege und keine Haltestelle gibt kommst du mit diesem Vorsatz nicht weit. Es ist also auch an der Politik dich überhaupt in die Lage zu versetzen sozial und ökologisch nachhaltig handeln zu können. Doch Politik ist nichts was außerhalb von euch stattfindet. Politiker sind eure Repräsentan- ten. Macht ihnen Druck und schaut auch was auf der lokalen Ebene passiert, damit sich auch auf der politischen Ebene et- was ändert!
Abb. 6a: Das Fahrrad-Monster
Abb. 6b: Das Tram-Monster
Abb. 6c: Das Mitfahrbank-Monsterr
Abb. 6d: Das Carsharing-Monster
Radentscheid Kasseln | radentscheid-kassel.de Critical Mass Kassel | criticalmass.in/kassel
Kraftfahrtbundesamt. Personenkraftwagen (2020): Bestandsbarometer Personenkraftwagen am 1. Januar 2020 nach ausgewählten Herkunftsländern Online: kba.de
Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur: Mobilität in Deutschland (MiD, 02/2020) Online: bmvi.de
Müller-Ermann, Heiner: Arbeitsplätze in der Autoindustrie. Online: bund-naturschutz.de
Kraftfahrtbundesamt (2020): Bestand nach ausgewählten Fahrzeugklassen mit dem Durchschnittsalter der Fahrzeuge
Online: kba.de
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (Oktober 2019):
Wie umweltfreundlich sind Elektroautos? Online: bmu.de
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (Juni 2020): Klima- und Energiepolitik der Europäischen Union
Online: bmu.de/themen/klima-energie/klimaschutz/eu-klimapolitik/
Priemer, Birgit (2019): Mit dem E-Auto in die Zukunft? Chancen und Herausforderungen der Elektromobilität
Online: bpb.de/apuz/298746/mit-dem-e-auto-in-die-zukunft
Dieses Monster wurde im Sommersemester 2020 entdeckt und beschrieben durch die renomierten Monster-Forscher*innen Fabian Hellmold und Florian Jäger, Studierende der Universität Kassel.
Konzept und Redaktion: Oliver Emde
Grafik, Layout und Satz: Gregor Müller